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Fraunhofer-Interview: 3D-Internet für alle

Frank Martin Lauterwein

Frank Martin Lauterwein

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Das Fraunhofer Institut bringt die dritte Dimension in den Internetbrowser. Die Erfinder der MP3-Komprimierung entwickelten dazu die so genannte X3DOM-Technik, die auf der aktuellen HTML5-Spezifikation aufbaut. Mit dem so genannten Open-Source Framework ist es möglich, 3D-Inhalte in Internetseiten einzubinden. Voraussetzung dafür ist WebGL, das von den Internetbrowsern Mozilla Firefox 4 und Google Chrome 10 unterstützt wird. Ein spezielles Plug-in wird nicht benötigt.

Dr. Johannes Behr von Fraunhofer IGD im Gespräch mit OnSoftware über die dreidimensionale Zukunft im Internet.

OnSoftware: Wie hat sich die dreidimensionale Darstellung im Internet  über die Jahre entwickelt?

Behr: Es gab ja schon vor 15 Jahren Bemühungen, 3D in das Internet zu bringen. Das lief mit unterschiedlichen Plug-in-Techniken oder anderen Systemen, die aber allesamt wenig Akzeptanz fanden.

OnSoftware: Warum wurde das dreidimensionale Internet nicht populär?

Behr: Wir von Fraunhofer glauben, dass es dafür vor allem zwei Gründe gibt. Einerseits sind Plug-ins – was die Sicherheit angeht – problematisch. Die Leute dürfen oder wollen das nicht installieren. Auf der anderen Seite haben sich die 3D-Leute immer viel zu wichtig genommen. Die Entwickler sind nie so richtig im Web angekommen, sondern haben immer irgendwie ihre eigenen Welten gebaut. Das war für HTML-Programmierer immer sehr schwer, da den Einstieg zu finden.

OnSoftware: Welche Programmierkenntnisse muss man mitbringen um mit X3DOM dreidimensionale Inhalte erstellen zu können?

Behr: Die 3D-Elemente kann man wie 2D-Elemente oder auch Videofilme ganz einfach in HTML-Seiten nutzen. Das ist der entscheidende Unterschied zu den bisherigen Ansätzen. Wenn ich also HTML verstanden habe, kann ich direkt 3D Elemente hinzufügen. Man muss weder eine Plug-in-Architektur einbinden, noch spezielle Scripte lernen. Bei uns läuft das alles mit Java-Script.

OnSoftware: Wie lange hat es gedauert, bis Sie mit Ihrer Entwicklung an die Öffentlichkeit sind?

Behr: Wir begleiten den gesamten Prozess schon seit rund zehn Jahren. Wir waren auch beim Formen des X3D-Standards, der eigentlich mit Plug-ins funktioniert, jahrelang aktiv beteiligt. So ab 2007 haben wir festgestellt, dass es weiterhin grundlegenden Entwicklungsbedarf gibt. Damals fand ein reger Austausch mit den W3C-Leuten statt. 2008 gab es dann die ersten Experimente von W3C-Entwicklern. Fraunhofer hat das ganze dann 2009 übernommen und daraus ein echtes Open-Source-Projekt gemacht. Da hat uns auch die Entwicklung unterstützt. 2010 kam dann WebGL hinzu, das Schnittstellen wie OPEN GLSL dem Java-Skript Programmierer zur Verfügung stellt. Das ist eine prima Sache für Geeks wie uns, die in 4×4-Matrizen und GLSL-Code denken. (lacht)

OnSoftware: Denken Sie wirklich so?

Behr: Natürlich. Ich träume sogar in GLSL. Wir können das Interview auch in GLSL machen (lacht)

OnSoftware: Wie weit ist die Technik fortgeschritten?

Behr: Die Technik ist voll anwendbar. Heute schon kann jeder Webentwickler, also auch die Millionen der Webentwickler von nebenan, mit dem Code arbeiten. Jeder, der X3DOM anwendet, bringt natürlich auch gleich wieder neue Ideen und Erfahrungen mit ein, die uns helfen, das Projekt voran zu treiben.

OnSoftware: Was sind ihrer Meinung nach die Haupt-Anwendungsgebiete?

Behr: Nun ja. Man kann in Sachen 3D-Internet durchaus von verbrannter Erde sprechen. Es gab ja unendlich viele Bemühungen über Jahre hinweg. Manch einer hat sich gar gefragt, ob man das ganze Internet in 3D machen kann, weil die Realität eben auch 3D ist. Das ist meiner Meinung nach der komplett falsche Ansatz. Was macht es für einen Sinn durch einen virtuellen dreidimensionalen Supermarkt zu laufen und virtuelle Bohnendosen suchen? Da gehe ich doch lieber zu Amazon, gebe in das Suchfeld Bohnen ein und bin dann zehn mal schneller. Wir sehen X3DOM als zusätzliche Technologie zu bereits bestehenden Systemen. Das kann sicherlich auch eine Shopping-Anwendung sein. Beispielsweise der Nutzer möchte eine Digitalkamera kaufen und vorher mal sehen wie das so aussieht, wenn man das Objektiv rein- und rausfährt. Das wäre ein sehr naheliegendes Beispiel. Wir machen auch viel im Kulturerbe-Bereich für Museen, die immer mehr dazu übergehen, Objekte zu scannen. Auch für die wissenschaftliche Aufbereitung ist die Technik hervorragend geeignet. Man kann mit X3DOM interessierten Personen Objekte zur Verfügung stellen, ohne dass die ins Museum fahren müssen. Da ist die Technik natürlich sehr praktisch. Oder im Engineering, beispielsweise im Bereich CAD, ist X3DOM ein geeignetes Mittel, um Sachen zu konstruieren.

Das Interview führte Frank Martin Lauterwein auf der CeBit 2011.

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