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Ausgespielt: Einheitsbrei Spiele-Fortsetzungen

Jan-Hendrik Fleischer

Jan-Hendrik Fleischer

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Klartext von Jan-Hendrik FleischerMit Spielen ist das ein wenig wie mit Tomaten. Wir wollen alle die kräftigen, roten, prallen Früchte. Dass die Objekte der Gewächshauszüchtung nur noch nach Wasser schmecken, nehmen wir irgendwie hin. Ähnlich inhaltsleer sind viele Spiele-Fortsetzungen hinter ihrer blendenden Grafik-Pracht.

Blicken wir mal gemeinsam zurück, was uns die letzten Spiele-Monate so beschert haben: Resident Evil 6, Dead Space 3, Crysis 3, Call of Duty: Black Ops 2, Assassin’s Creed 3, Far Cry 3, Borderlands 2, Pro Evolution Soccer 2013, FIFA 13. Die schiere Menge der Fortsetzungen springt förmlich ins Auge.

Selbst scheinbar unverdächtige Titel wie SimCity, Tomb Raider, Hitman: Absolution, Need for Speed Most Wanted oder Dark Souls entpuppen sich als Sequels etablierter, durchweg erfolgreicher Vorgänger.

Warum so viele Fortsetzungen?

Fortsetzungen stehen für Zuverlässigkeit. Hersteller können Erfolgsprognosen besser abschätzen als bei neuen Titeln, Spieler wissen, was sie erwartet. Preiswerter sind Sequels allerdings nicht unbedingt und auch die hohen Erwartungen stellen sich nicht immer ein. Das belegen einige Beispiele:

Mittlerweile dementierte Gerüchte machten die Runde, Electronic Arts stelle die Dead-Space-Serie ein, falls nicht fünf Millionen Kopien von Dead Space 3 verkauft würden. Auch Square Enix hadert mit den Verkaufszahlen des Tomb-Raider-Reboots – bis Ende März immerhin 3,4 Millionen Verkäufe, also rund 170 Millionen Euro Umsatz.

Spiele entwickeln sich zum Einheitsbrei

Die Vorsicht der Entwickler sorgt dafür, dass Spiele ein immer breiteres Publikum ansprechen sollen. Das ist verständlich. Auch die Spieler profitieren von guten Verkaufszahlen, wenn die Erlöse neue Produktionen und damit neues Spiele-Futter finanzieren. Allerdings ist beklagenswert, wie sehr sich die Spiele zunehmend ähneln.

Ein Beispiel: Ich habe mich in Dead Space furchtbar gegruselt. Und hatte Spaß dabei! Dunkle Flure, flackernde Lichter. Irgendwo fällt ein Schraubenschlüssel herunter und plötzlich faucht mich was von hinten an. Die – nicht vorhandene – Musik spielte sich sozusagen im Kopf ab. Anders in Dead Space 3: Action-Musik kündigt Zombie-Angriffe frühzeitig an, für Überraschung ist da kaum noch Raum. Das Gameplay verändert sich vom Überlebenskampf zum Shooter. Gruselstimmung? Abgeschafft!

Dead Space 3: Viel Action, wenig Grusel

Eine ähnliche Entwicklung hat die Resident-Evil-Serie hinter sich. Die ersten Folgen standen für perfekt inszenierten Survival-Horror, in dem es ums nackte Überleben ging. Rauchende Colts waren schon deshalb nicht drin, weil ich den wenigen Patronen im Inventar problemlos hätte Namen geben können. Dass ich mich beim Schießen nicht bewegen konnte, sorgte für Nervenkitzel: Sitzt der Schuss nicht, bin ich tot!

In Resident Evil 6 wendet sich das Blatt: Hier feuert man, was das Zeug hergibt. Die Chris-Kampagne spielt sich fast wie ein reiner Shooter mit Anleihen an einen wilden Häuserkampf. Die eingeschränkte Mobilität beim Schießen wirft Resident Evil 6 ebenfalls über Bord und man kann sich auch in Feuergefechten frei bewegen. Damit ist das Gameplay nicht mehr besonders, sondern fühlt sich an wie in jedem anderen 3rd-Party-Shooter.

Resident Evil 6: Viel Action, wenig Grusel

Austauschbare Spiele

Und damit kommen wir zum springenden Punkt: Fortsetzungen setzen nicht nur Bewährtes fort, sondern sie verlieren ihre Konturen, ihr Alleinstellungsmerkmal – genau das, was sie mal erfolgreich, beliebt und zum Bestseller gemacht hat.

Auch wenn es durchweg gelungene Fortsetzungen gibt, ist dieser Trend ungebrochen. Beispielhaft dafür ist für mich Tomb Raider, eines der besten Spiele der letzten Zeit. Die Story hat mich wirklich beeindruckt. Wechsle ich dagegen in den Multiplayer, gleichen Aufgaben und Umsetzung dem Playstation-3-Hit Uncharted frappierend. Und die schamlose Kopie erreicht nicht einmal das Niveau der Vorlage. Enttäuschend!

Mehr Risikofreude

Es ist schwer, die verzüchteten Tomaten zu retten. Aber aus den Sequels können die Hersteller mühelos Wasser ablassen und das wahre Armoma freisetzen.

  • Der konservative Weg: am Bewährten festhalten! Nicht alle Spiele müssen sich gleichen und sind gerade deshalb spielenswert.
  • Und der innovative Weg: Mut zu neuen Ideen!

Es muss nicht jedes Jahr ein neues Assassin’s Creed geben. Derselbe Hersteller Ubisoft zeigt mit dem vielversprechenden Open-World-Titel Watch Dogs, dass man aus dem Gerüst einer etablierten Serie durchaus ein spannendes neues Spiel schmieden kann. Das macht Hoffnung auf schmackhafte neue Spielideen.

Jan-Hendrik Fleischer

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